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Zufriedenheit





        »Ach!« - spricht er - »die größte Freud'
        Ist doch die Zufriedenheit!!!«
        Rums!! - da geht die Pfeife los
        Mit Getöse, schrecklich groß ...

Die sarkastisch-vergnügte Pointe des Wilhelm Busch aus „Max und Moritz” (s.o.) kennen wir alle: Lehrer Lämpel setzt sich zufrieden in den Sorgenstuhl, da macht es „Paff!!!” ...

Doch wer kennt die tiefsinnigen Reflexionen Kants über die Zufriedenheit, die eben auch ihre Schattenseiten habe?

Zitat:

Zufriedenheit ... ist dem Menschen unerreichbar: ... nie aber ist sie rein und vollständig. - Im Leben (absolut) zufrieden zu sein, wäre tatlose Ruhe und Stillstand der Triebfedern, oder Abstumpfung der Empfindungen und der damit verknüpften Tätigkeit. Eine solche aber kann ebenso wenig mit dem intellektuellen Leben des Menschen zusammen bestehen, als der Stillstand des Herzens in einem tierischen Körper, auf den, wenn nicht (durch den Schmerz) ein neuer Anreiz ergeht, unvermeidlich der Tod folgt.
(Anthropologie in pragmatischer Hinsicht)

Übrigens: Auch der bereits zitierte Wilhelm Busch wußte um die Ambivalenz der Zufriedenheit. Hört euch dies an:

        Es flog einmal ein muntres Fliegel
        Zu einem vollen Honigtiegel.
        Da tunkt es mit Zufriedenheit
        Den Rüssel in die Süßigkeit.
        Nachdem es dann genug geschleckt,
        Hat es die Flüglein ausgereckt
        Und möchte sich nach oben schwingen.
        Allein das Bein im Honigseim
        Sitzt fest als wie in Vogelleim.
        Nun fängt das Fliegel an zu singen:
        Ach, lieber Himmel, mach mich frei
        Aus dieser süßen Sklaverei!

        Ein Freund von mir, der dieses sah,
        Der seufzte tief und rief: Ja ja!
        (aus: Kritik des Herzens)

Ich möchte aber noch erwähnen, daß die Frage nach der Zufriedenheit auch eine herausragende Rolle in dem kürzlich erschienenen Doppelband der Zeitschrift MERKUR (Nr. 700) zum Thema „Dekadenz” spielte. Da zitiert etwa einer der Autoren einen Moslem aus Ägypten, der die USA besuchte und danach ein Buch über seine Eindrücke schrieb, das Furore machte:

Überall wird gelächelt und überall gibt es ´fun´, und an jeder Ecke Umarmungen und Küßchen. Doch niemals sieht man echte Zufriedenheit auf den Gesichtern.

Und Uwe Jean Heuser (der sonst für DIE ZEIT schreibt) verbürgt sich in demselben Heft dafür:

Zwar geht es der Bevölkerung in den meisten Industrieländern heute materiell ungleich besser als vor fünfzig Jahren. Sie ist im Durchschnitt auch gesünder – doch die Zufriedenheit ist nicht mitgewachsen. Oberhalb eines gewissen Niveaus erzeugen steigende Durchschnittseinkommen kaum noch zusätzliche Zufriedenheit. Ob in den USA, in Japan oder Europa: Seit den fünfziger Jahren ist der Anteil der Zufriedenen in etwa gleichgeblieben. Sind denn nach diesen Befragungen wenigstens wohlhabende Menschen zufriedener als ärmere? Ja, aber in geringem Maße: Auch unter den reichsten Amerikanern ist ein Drittel unzufriedener als der Durchschnittsbürger, und in den USA ist der Zusammenhang noch am klarsten. Tatsächlich freut es die Menschen auch in reichen Ländern, wenn sie wirtschaftlich vorankommen. Auf Dauer macht sie der Sprung auf ein neues Gehalts- oder Konsumniveau indes nicht wesentlich zufriedener. Das Zufriedenheitsgefühl der Menschen in bezug auf die Ökonomie erweist sich als adaptiv. Nach einem großen Ausschlag pendelt es sich wieder auf der alten Höhe ein. Das gilt der Glücksforschung zufolge selbst für Lottogewinner – und im Negativen auch für Menschen, denen ein größeres Unglück widerfährt. Nicht jeder Mensch reagiert auf diese Weise, aber die meisten folgen diesem Muster. 'Mit dem Reichtum scheint es so zu sein wie mit der Gesundheit, sie nicht zu haben kann Elend hervorrufen, sie zu haben garantiert noch keine Zufriedenheit'.

An dem Abend habe ich zuerst die verschiedenen Positionen der Zufriedenheitserwirtschaftung von der Stoa über Horaz und Gracian bis zu Schopenhauer und Watzlawick vorgestellt - wobei auch die protestantisch-betuliche Appellation an die Zufriedenheit als Frömmigkeitserweis nicht überschlagen wurde, während die subtilsten Vorschläge m. E. vom Philosophen Fichte stammen ... -, dann habe ich die Problematisierung der Zufriedenheits-Ansprüche mit Wilhelm Busch eingeleitet und sie danach mit Schopenhauer und Kant zum Schluß plausibel gemacht.

Zuletzt wurde diese Sicht auf die Gegenwart angewandt: Sind es nicht vornehmlich die Diktaturen, die Zufriedenheitsbeschaffung im großen Stil betreiben? Wird nicht - im strikten Gegensatz dazu - in den westlichen Demokratien durch allgegenwärtige Kritik systematisch Unzufriedenheit geschürt? Und hat das nicht seine Berechtigung?

Kant hat uns Argumente überliefert, die diesen Gedanken stärken.

 




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